Manchmal werden deine Erwartungen weitaus übertroffen. So erging es mir bei der letzten Winterwanderung. Wir suchen ja alle irgendwie danach. Orte, die vor Schönheit strotzen. Weit musst du dafür nicht reisen. Wanderungen wie aus dem Bilderbuch entdecke ich meist direkt vor der Haustüre. Besonders im Winter. Glaubst du nicht? Dann bleib dran.
Das i-Tüpfelchen, du wirst gleich zwei Berge kennen lernen und musst nur einmal dafür deine Wanderstiefel schnüren. Der Grandelberg und Schwarzkopf sind 1000er und liegen zwischen Herzogsreut und Philippsreut. Die Gemeinde Philippsreut ist vor allem berühmt für ihr Skigebiet, am weitaus bekannteren Almberg in Mitterfirmiansreut. Oder wie wir Waidler sagen „Mitterdorf“. Neben dem Großer Arber ist Mitterdorf eine weitere Top Adresse für Wintersport.
Meine Schneeschuhwanderung zum Großen Arber kannst du hier nachlesen:
Schneeschuhwandern Großer Arber: Bayerischer Wald mit Winterzauber
Bereits im Sommer wollte ich zum Grandelberg, den die Einheimischen auch Schönbuchetfelsen nennen. Das Problem, der Weg ist nicht beschildert und ich habe ihn nicht gefunden. Es ist das letzte Wochenende, bevor die 15 km Regel aufgrund der Corona-Pandemie in Kraft tritt und ich beschließe im Januar noch einmal den Weg mit meinem Mann zu bestreiten.
Wir ziehen am frühen Morgen los und 12 km feinstes Wanderpanorama liegt vor uns. Die ersten Meter einer neuen Wanderung sind immer etwas ganz besonderes. Ich bin jedes Mal neugierig, wie der Weg verläuft und was es zu sehen gibt. Nach dem Parkplatz laufen wir im Schneegestöber die weiß bedeckte Teerstraße hoch. Links und rechts biegen sich die Bäume des Walds durch die angesammelte Schneelast. Sonnig sollte es heute laut Wettervorhersage sein. Der Himmel ist eine Mischung aus grau und mit ein bisschen Fantasie auch blau. Aber das macht nichts. Der helle Schnee hellt auch meine Stimmung explosionsartig auf.
Grandelberg und Schwarzkopf: Von der Bärenbachklause zum Gipfelglück
An der Kreuzung nehmen wir die rechte Abzweigung und biegen wenige Schritte weiter links ab zur Bärenbachklause. Der Weg ist nicht geräumt, und der flockige Schnee purzelt in meine halbhohen Stiefel. Klausen findest du im Bayerischen Wald bei sehr vielen Wanderungen. Meist ist es die Abgeschiedenheit, die den angestauten Seen das gewisse Etwas verleihen. Wir erreichen die Bärenbachklause nach insgesamt einer Stunde Gehzeit.
Sie ruht an diesem Tag unter der Schneedecke, genauso wie die Sitzgelegenheit davor. Ich streife den Schnee von der Holzbank und lege mein Outdoorkissen drauf. Frühstück auspacken und Tee trinken. Ich bin in diesem Moment sehr dankbar für diese Pause. Tief durchatmen und den sensationellen Anblick genießen. In Ruhe. Keine Menschenseele ist in Sicht.
Wir laufen den Weg bis zur Kreuzung zurück und passieren die ebene Strecke zur Linken. Mittlerweile lächelt die Sonne ab und zu vom Himmel und lässt den weißen Schnee in ihrer vollen Pracht erstrahlen. Ich kann diese Spektakel nur schwer in Worte fassen. Es sieht aus wie Zuckerguß, fast zu schön um wahr zu sein.
An der Route führt nach ungefähr 20 Minuten Fußmarsch ein kleiner, steiler unscheinbarer Weg nach oben. Es ist die Abbiegung Richtung Grandelberg bzw. Schönbuchetfelsen. Eine Beschilderung konnten wir in der verschneiten Landschaft nicht entdecken. Fußstapfen führen hoch, insofern vermuten wir, dass es der Weg zum Berg sein muss.
Das Waldstück wird wilder und zauberhafter zugleich. Der Pulverschnee umschließt meine Schuhe und ich komme aus dem Staunen der fantastischen Winterlandschaft nicht mehr heraus. Weiß soweit das Auge reicht und absolute Stille. Es ist einmalig, wir sind komplett allein in dieser unwirklichen Welt aus Wald, Schnee und Eis. Was für ein Augenschmaus!
Den Schönbuchetfelsen hätte ich fast ein zweites Mal verpasst. Die markanten Felsen sind im Sommer durch den dichten Bayerwald gut getarnt und im Winter nun durch die üppige Schneedecke.
Vom Weg können wir das kleine Gipfelkreuz und auch die Holzbank nicht erkennen. Erst als wir den Felsen umrunden, wissen wir Ziel Nummer 1 ist erreicht. Ich muss dich vorwarnen, wenn so viel Schnee liegt, ist es nicht ganz ungefährlich zum Kreuz zu klettern. Es ist eine ziemlich rutschige Angelegenheit und der Grandelberg ist nicht besonders großflächig. Du musst wirklich aufpassen, nicht auf der anderen Seite in die Tiefe zu stürzen und in jedem Fall ist gutes Schuhwerk mit Grödeln angesagt. Aussichtsreich ist es bei Schmuddelwetter so gar nicht. Es ist die Unberührtheit, die den Charme ausmacht. Mitten im Wald ein Gipfelkreuz mit Bankerl zum Ausruhen auf einem idyllischen Felsen. Einfach herrlich!
Grandelberg und Schwarzkopf: Wintertraum im Bayerischen Wald
Für die Etappe zum Schwarzkopf laufen wir rechts am Felsen vorbei und nehmen nordöstlich Kurs auf, bis wir den nächsten großen Feldweg erreichen. Der Schnee knirscht unter unseren Schuhen, ansonsten kein Ton weit und breit. Zweimal biegen wir in der traumhaften Winterlandschaft nochmal rechts ab, bevor wir einen kleinen steilen Weg links hoch zum nächsten Gipfel laufen. Es ist ein unglaublicher und faszinierender Anblick! Märchenwald pur! Lange ist es her, dass ich derart von Schnee umschlossene Äste gesehen habe. Wie Ziegenbärte sehen die Gebilde an jedem kleinen Zweig aus.
Vor uns eröffnet sich eine Lichtung mit schneebedeckter Grasfläche, umzingelt vom weiß getünchten Mischwald. Nur wenige Meter weiter erreichen wir den Schwarzkopf. Es ist fast surreal. Über dem Gipfelkreuz biegt sich ein mit Schneelast umwobener Ast wie ein Torbogen. Ein Torbogen zum Himmel mit Ausblick auf das Annathal. Die Krönung – plötzlich wird es für einen Moment sonnig. Ich bin dankbar das Erleben zu dürfen. Meine Homebase überrascht mich selbst nach Jahren immer wieder. Der Bayerische Wald ist ein Ort, der sich nicht vor Trendwinterzielen wie Finnland und Schweden verstecken braucht.
Es ist der richtige Zeitpunkt für eine zweite Pause. Besser geht’s nicht sage ich zu meinem Mann. Das ist Wandern! Abseits der Hotspots stundenlang umgeben von Schneezauber. Nur einer Handvoll Menschen sind wir begegnet in einer Traumlandschaft. Einfach unfassbar!
Für den Rückweg halten wir uns links und laufen bergab ein kurzes Stück durch den naturbelassenen Wald. Es gibt keinen gebahnten Wanderweg. Unter meinen Füßen merke ich, dass ich immer wieder über Felsen den steilen Abhang hinuntergleite. Der Pulverschnee wird dabei jedes Mal wie feinstes Konfetti aufgewirbelt und glitzert im Antlitz der Sonne. Ich will hier nicht weg, denke ich. Nach ungefähr 15 Minuten erreichen wir wieder die völlig zugeschneite Teerstraße vom Anfang. Es ist die finale Etappe, die uns zum Auto zurückführt. Meine Füße sind komplett nass, es ist mir egal. Was für eine zauberhafte Wanderung! Servus Winterparadies– für heute. Ich komme wieder! Nach dem Lockdown…
Wanderung Grandelberg und Schwarzkopf
- Parkplatz: Beim Skilift in Herzogsreut, Anfahrt über B12
- Länge: ca. 12 Kilometer
- Dauer: ca. 4,5 Stunden (ohne Pausen)
- Anspruch: mittel
- Jahreszeit: ganzjährig, im Winter ideal für Schneeschuhtouren
- Besonderheit: 2 Berggipfel
- Vorsicht: keine ausführliche Wegbeschilderung